Das Ende des Bauch­ladens im Mittel­stand?

Die Anforderungen des Marktes steigen stetig: Kunden wollen beliebige Varianten bestellen und das in ebenfalls beliebigen Stückzahlen – angefangen bei Losgröße 1 bis hin zu großen Auftragsmengen. Gleichzeitig sind kurze Lieferzeiten gefordert, am besten nach dem Motto „heute bestellen, morgen liefern“. Dabei sollen die Hersteller flexibel genug bleiben, um auch nach der Bestellung noch Anpassungen zu ermöglichen. Last but not least muss natürlich die Qualität stimmen – Stichwort „0-Fehler-Produktion“.
Wie das gelingen kann? Ein Baustein um dies zu erreichen und gleichzeitig profitabel zu bleiben ist das strategische Management des Produktportfolios.

Die klassische Portfolio­planung

Schaut man sich die Produktportfolios im Mittelstand einmal genauer an, dann erscheinen diese sehr komplex und unübersichtlich. Die Hauptursache ist ein „organisches“ Wachstum des Produktportfolios – oft über Jahrzehnte. Es wurden neue Generation von Produkten entwickelt, welche den Vorgänger nicht substituieren konnten. Dies führt dann zur Koexistenz mehrerer Generationen. Darüber hinaus finden sich, zumindest für einzelne Teilbereiche möglicher Anwendungen, redundante Produkte. Wie die Problematik selbst, sind die Ursachen weitgehend generisch. Welche Produkte entwickelt werden, basieren häufig auf persönlichen Entscheidungen der Unter­nehmensführung statt echter Priorisierung. Und dies zumeist technologiegetrieben, da Technologie schon immer die große Stärke des deutschen Mittelstands gewesen ist. In Lastenheften werden Stückzahlentwicklungen prognostiziert, welche nie erreicht werden, jedoch die Priorisierung beeinflussen. Eine Nachkalkulation findet selten statt. Und die Portfolioplanung hat in der Regel einen Planungshorizont von weniger als zwei Jahren.

Die gescheiterten Ver­suche der Berei­nigung

Die meisten Unternehmen haben schon einmal hochmotiviert Versuche unternommen, das Portfolio-Monster zu bändigen – die meisten davon sind damit jedoch genauso grandios gescheitert. Die Ursachen sind naheliegend – so besteht in der Regel bereits nach der Erstellung einer Liste der zu bereinigenden Produkte die Sorge, dass Umsätze verloren gehen. Die anfallenden Kosten können nicht betrachtet werden, da die Kostenrechnung keine verursachungs­gerechte Berechnung der Prozess- und Komplexitätskosten ermöglicht. Ist der erste Schritt tatsächlich geschafft und die Bereinigung freigegeben, gibt es in den Organisationen zumeist keinen Prozess wie ein Produkt Phase Out – vor allem Rechtskonform – ablaufen muss. Die Folge sind Reaktivierungen, z. B. durch schlicht rechtliche Ersatzteil­verpflichtungen, oder weil es doch noch einen Kunden gibt, der dann gar nichts mehr bestellt, wenn er das Produkt XY nicht mehr bekommt. Spätestens dann kommt eine interne Order zum weiterproduzieren einzelner Umfänge.

Die Herausforderungen der zukünf­tigen Port­folio­planung und Port­folio­strategie

Um den zukünftigen Anforderungen zu genügen, müssen Marktanforderungen systematisch erfasst werden. Entsprechende Prozesse müssen dafür sorgen, dass alle Informationen zentral zusammengetragen werden. Entsprechende Tools können den Prozess der Portfolioplanung unterstützen.
Um die Anforderungen optimal abzudecken und die Regularien zu erfüllen, die sich bis auf die unternehmens­internen Prozesse auswirken – wie beispielsweise FDA im Bereich Pharma oder Medizintechnik – muss eine klare Fokussierung auf Zielmärkte erfolgen.
Die bisherige Strategie bestehende Technologien weiterzuentwickeln sollte ebenfalls auf den Prüfstand. Durch den rasant zunehmenden Einzug der Informations­technologie in unseren Alltag, entstehen ständig neue Geschäftsmodelle, wie z. B. Machine2Pay, die smarte Produkte erfordern und neues Konsumverhalten. Disruptionen sind an der Tagesordnung. Ein interessantes Beispiel kennen wir aus Indonesien. Ein Anbieter von Beförderungs­dienstleistungen via App bietet mittlerweile Liefer- und Versandservices von Essen (mit vollständig digitalisierten Speisekarten) bis Paketen und sogar Bezahlservices an. In einem Land, in dem nur wenige ein Bankkonto haben, sehr marktdurchdringend. Jeder kann als Nutzer oder Service-Anbieter mitmachen, es braucht nur den Download der App. Die Taxifahrer gehen mittlerweile fast militant gegen diese Online Dienste vor. Wer diesen Kampf letzten Endes gewinnen wird, ist heute bereits klar.
Um die gesammelten Marktanforderungen nun umzusetzen, müssen aus den gesammelten Anforderungen neue Lösungsprinzipien entwickelt und in eine langfristige Portfolioplanung gegossen werden, damit das Entwickeln von Baukasten und Plattformen erst ermöglicht wird. Man schaue sich nur die Automobilindustrie an, mit welcher Geschwindigkeit diese heute neue Derivate auf den Markt bringen kann.
Zu guter Letzt muss dann eine Bereinigung des alten Portfolios erfolgen. Dazu braucht es eine systematische Analyse des Portfolios, eine Substitutions-Strategie, eine Betrachtung der Prozess- und Komplexitätskosten zur Entscheidungsfindung und einen strukturierten, rechtskonformen und vorausschauenden Prozess für den Phase Out.